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Fehlkauf!?

Da war ich mal wieder bei ebay Kleinanzeigen über eine besondere Chevy gestolpert, eine Chevy Stratocaster Custom, die ich mir gut als Pendant zur Tele vorstellen konnte.;-)
Die Custom Modelle von Chevy/Chery/Cheri waren noch etwas besser ausgestattet als die „normalen“ Modelle.

Im Fall der Stratocaster war ein Gotoh Tremolosystem mit Rollensattel verbaut, die ganzen Fittings in Gold und die Elektrik war etwas hochwertiger ausgeführt, angeblich sollen auch Minihumbucker statt Single Coil Pickups verbaut worden sein, bisher konnte ich das aber noch nicht verifizieren.
Die Bilder zeigten eine Gitarre in gutem bis sehr gutem Zustand und so wurde ich mit dem Verkäufer schnell handelseinig. Aber man soll ja Gitarren nicht auf gut Glück kaufen, bei der Cheri Tele und der Framus hatte ich Glück gute Teile zu ergattern, bei der Strat jetzt leider nicht so.:-/
Keine Frage, die Gitarre war noch in gutem Zustand, Kratzer und Macken hielten sich in Grenzen, die Mechaniken waren leichtgängig, keine kratzenden Potis oder Brummen.

chevy_strat
korpus
kopf

Die Saiten waren schon etwas abgenudelt und daher wurden die erstmal abgetüdelt, dabei fiel mir dann auf, daß das Tremolo irgendwie nicht richtig saß, es befand sich nicht im 90 Grad Winkel zu den Saiten sondern war etwas verschoben.

tremolo_schief

Nach genauerer Untersuchung fand ich dann dieses Grauen vor.:-/

oben
riss
unten

Der Pfeil zeigt die durchgedrückte Buchse, in die die Stehbolzenschraube für das Vibrato geschraubt wird, eigentlich sollte das so aussehen wie auf der anderen Seite.:-/

vibratoloch

Auch hier kann man gut erkennen, daß sich die ganze Chose nach vorne gedrückt hat, der Bolzen also nicht mehr senkrecht steht sondern leicht geneigt.

Dieser Defekt war wohl auf die mechanischen Belastungen der Tremoloeinheit zurückzuführen, was, wie meine Recherchen später ergaben, bei diesem Modell wohl schon mal vorkommt, da an dieser Stelle nicht besonders viel Material zum Gegenhalten vorhanden ist.:-(
Ich kontaktierte den Verkäufer und teilte ihm diesen Defekt mit, ihm war das wohl in der Zeit, die er die Gitarre besaß nicht aufgefallen und sie wäre auch normal zu bespielen gewesen, ich glaubte ihm das. Da ich aber davon ausgehen konnte, daß dieser Schaden nicht besser würde und irgendwann wahrscheinlich das Tremolo komplett rausbrechen würde, konnten wir uns nach einigen Verhandlungen darauf einigen, daß er mir zumindest einen Teilbetrag erstattet, denn zurücknehmen wollte er die Gitarre nicht.
Nun hatte ich also eine kaputte Chevy Strat, reparieren lassen kam nicht in Frage, dies würde den Wert der Gitarre bei weitem überschreiten, also selbst ist der Mann.
Die Reparatur würde nicht einfach werden, da durch die ständige mechanische Belastung nicht mehr viel Material am Stehbolzen des Tremolos vorhanden war, also hatte ich zwei Möglichkeiten entweder ich wage die Reparatur und es klappt, dann hätte ich eine schöne Chevy Custom Strat, die man auch spielen kann, klappt es nicht hätte ich genau wie bei der zweiten Möglichkeit, nämlich nichts zu tun, einen schönen Wandschmuck.:-)
Also los, erstmal habe ich die Gitarre komplett zerlegt damit ich den Korpus ordentlich „bearbeiten“ kann. Ich zog die Hülse, in die der Stehbolzen eingeschraubt wurde raus, dann bestrich ich die Bruchstellen mit PU-Leim und setzte eine Zwinge an um die hervorstehende Stelle wieder in ihre Ursprungsposition zu zwingen.

zwinge
geleimt

Nach 24 Stunden entfernte ich die Zwinge und erfreulicherweise blieb das Holz in seiner Position.

Da an dieser Stelle sowieso nicht sehr viel Material war und das wahrscheinlich auch der Schwachpunkt bei diesem Modell ist, entschied ich mich ein Hartholzbrett einzuleimen um die mechanischen Belastungen der Vibratoeinheit etwas abfangen zu können. Dieses Brett mußte ich entsprechend bearbeiten um die Rundungen in der Fräsung zu berücksichtigen.

brettchen
brett_angepasst

Bevor ich das Brett mit Konstruktionskleber festgeleimt habe testete ich erstmal ob das Schlagbrett mit den Tonabnehmern noch passte. Danach leimte ich das Brettchen ein und spannte es mit einer Zwinge fest.

eingeleimt

24 Stunden später sah das dann so aus:

brett_eingeleimt

Jetzt mußte das Loch für die Schraubhülse etwas vergrößert werden um einen Holzdübel einsetzen zu können, da auf der einen Seite des Lochs ja das Holz herausgebrochen war, wie oben im Bild mit dem roten Pfeil zu sehen ist, mußte ein Holzklotz so eingepasst werden, daß der Bohrer nicht an dieser Stelle beim Bohren herauswandert.
Der Plan ging auf, die Schraubhülse hatte neun Millimeter, um noch ein wenig „Fleisch“ zu haben mußte der Holzdübel größer sein, ich entschied mich für 10mm, mehr wäre nicht drin gewesen. Nachdem ich den Body einigermaßen gerade auf dem winzigen Bohrtisch befestigt hatte, bohrte ich erstmal vorsichtig mit einem 9mm Bohrer die Reste von Holz und Kleber aus dem Loch, dann nahm ich einen halben Millimeter mehr und zuletzt 10mm. Das funktionierte recht gut und sah dann so aus:

loch_gebohrt

Nun sägte ich den 10mm Holzdübel auf die richtige Länge ab, bestrich ihn mit Holzleim und setzte ihn mit ein paar vorsichtigen Hammerschlägen ein, muß ich schreiben, daß er perfekt passte? ;^D

duebel

Jetzt war erstmal wieder warten angesagt bis der Leim getrocknet war, da ich noch wichtigere Dinge zu tun hatte, habe ich ihm bei dieser Tätigkeit nicht zugesehen.:o)
Am nächsten Tag habe ich dann das Loch gebohrt und die Schraubhülse wieder eingesetzt, das sah dann so aus:

bolzen_neu

Da kann man nicht meckern, wie ich finde.;-)
Auf der Innenseite mußte ich aber dann noch ein wenig auffüttern, da das Material ja an der Stelle sehr dünn war, bzw. gar nicht vorhanden.

auffüttern

Zuerst wollte ich da ein Brettchen einsetzen, das stellte sich aber als wenig praktikabel heraus, hätte es eine stabile Dicke wird das Tremolo in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, macht man es dünner kann man es auch gleich weg lassen. Also habe ich mich für Blech entschieden und mir ein entsprechendes Teil zurechtgedengelt.

Und eingepasst:

blech
blech_drin

Da man da aber nur schlecht Schraubzwingen ansetzen konnte um das Blech einzukleben habe ich einen Holzklotz zurechtgeraspelt, der in die Aussparung passte und dann verkeilt werden konnte.

klotz

Nach 24 Stunden entfernte ich den Klotz und zum Vorschein kam dieses:

blech_eingeklebt

Das Blech saß fest in der Tremoloaussparung und bot so genügend Gegenwehr um das Tremolo im Zaum zu halten.;-)
Das sollte jetzt wohl mal die nächsten 20 Jahre halten, hoffe ich jedenfalls.:-D

Nun konnte man alles wieder zusammenbauen, allerdings nicht ohne vorher alle Teile zu zerlegen und gründlich zu säubern.

bridge

Da vorher in der Tremolofräsung Moosgummi geklebt war, klebte ich auch wieder Moosgummi ein, da man sonst auf das blanke Holz blicken würde,
das Tremolo konnte sich jetzt auch wieder sehen lassen.:-)

tremolo

Das Griffbrett wurde gesäubert und mit Zitronenöl behandelt und schon bekam das Holz seine schöne dunkle Färbung wieder, die Mechaniken wurden ebenfalls gesäubert, wie auch der Rollensattel.

rollensattel

Nachdem alles wieder zusammengebaut war habe ich die Gitarre sorgfältig eingestellt und konnte dann endlich losrocken. Ich hatte etwas Bedenken, daß meine Reparatur evtl. das Sustain beeinflussen könnte, die Sorge war unbegründet. Sie lässt sich sehr schön bespielen und das Tremolo arbeitet butterweich, allein die Pickups sind ein wenig schwach auf der Brust und klingen nicht besonders, m.E. handelt es sich nicht um Mini Humbucker wie ich es mal irgendwo gelesen hatte.
Als Übungsklampfe und Hingucker ist sie aber ein schönes Teil und vielleicht tausche ich irgendwann auch noch mal die PUs aus.

War es nun ein Fehlkauf?
Sagen wir mal Jein, es war schon ein bißchen arbeit die Gitarre wieder in einen vernünftigen Zustand zu bringen aber andererseits macht sowas ja auch Spaß und wenn das Ergebnis wie in diesem Fall stimmt, ist ja eigentlich alles in Ordnung.
Allerdings wäre es schon schön gewesen, wenn das Ding in einwandfreiem Zustand gewesen wäre, denn sollte ich mal in Erwägung ziehen das Teil zu veräußern wird es sicherlich nicht mehr allzuviel bringen.
So gesehen, war es sicher kein Fehlkauf aber ein richtiger „FeelGood“ Kauf war’s auch nicht.:-)

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